Gefahr von rechts!


Die beiden Bilder zeigen symbolhaft die Gefahren und Bedrohungen durch rechtsextremistische Netzwerke, denen heutzutage vor allem Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind. Oben: Das Cover einer "Schulhof-CD" mit rechtsradikaler Musik und Videos, die 2013 in einer bundesweiten Aktion vor Schulen verteilt wurde. Auch in Ottweiler gab es solche Aktionen! Unten: Skinhead-Konzert Berlin im Jahre 2003.


Rechte Netzwerke und rechte Musik


Rechtsextremistische Netzwerke bestehen nicht nur in Deutsch-land. Sie existieren weltweit in vielen Ländern mit unterschiedlichen Strömungen und Zielsetzungen.


In Deutschland gibt es bereits seit den 80er Jahren neue rechts-extremistische Bewegungen, die sich parallel zur Entwicklung neuer Kommunikationstechniken und -formen (vor allem des Internets und des Mobilfunks) in eigens dazu geschaffenen Netzwerken organisieren.


Zielgruppe der Organisatoren dieser rechtsextremistischen Netzwerke sind in erster Linie junge Menschen. Das Lockmittel für die Verbreitung ihrer rechtsextremistischen Ideologien ist die Musik. Die aus dem harmlosen HIP-HOP der siebziger Jahre hervorgegangenen Musikrichtungen der rechten Szene entwickelten sich dabei zum Schlüssel bei der Rekrutierung von jungen Kämpfern für die „gemeinsame Sache“, den Kampf gegen den Staat, die Ausländer und gegen alles, was nicht deutsch-national ist. Heute dominieren rechtsradikaler Rock (Hart- und Metal), Punk und rechter Rap die Musikszene.


Zwei Aussagen rechtsextremistischer Rapper zeigen deutlich, was über die Musik in die Köpfe jungen Menschen gelangen soll:


„An alle Politiker, fette Bonzen und Chefs, eine Bombe für euch, wie die von der RAF. Danke an die scheiß Grünen, die SPD und FDP, die NPD und CDU, an alle Bonzen der BRD. Es tut weh wie unsere Zukunft den Bach runtergeht“.

Der Rechts-Rapper Alexander K. alias Sash JM


 „Wir schreiben ein Buch, wie wir Deutschland befreien und nennen es mein Kampf Teil 2 […] Zusammen stehen wir in der blutigen Schlacht gegen die Migranten und Feinde des Volks“

Rapper „Villain051“ in dem Film „Rap Holocaust“, der von Gewalt bis hin zum NS-Bezug alles enthält, was die Szene begeistert. 


Der Gründer des in Deutschland seit dem Jahr 2001 verbotenen Skinhead-Netzwerkes „Blood & Honour“ („Blut & Ehre“), der Brite Ian Stuart Donaldson, hatte auf die Bedeutung der Musik schon früh hingewiesen:


"Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden. Musik berührt die jungen Leute, die von den Politikern nicht erreicht werden. Viele finden die Politik, parteipolitisch gesehen, langweilig, was teilweise stimmt. Es ist doch viel angenehmer, mit anderen ein Konzert zu besuchen und Spaß zu haben, als in eine politische Versammlung zu gehen."

Donaldson, in der Mitte mit einem führenden Vertreter des Ku-Klux-Klan und rechts als Sänger der Rechts-Rockband "Skrewdriver" (Schraubendreher) verunglückte 1993 tödlich und gilt in der rechten Szene seither als Märtyrer.


In einem Fanmagazin (Fanzine) der rechtsradikalen "Blood-&-Honour-Bewegung" an »Freunde und Kameraden« fand sich der nachfolgende Liedtext ("spick" ist ein in den USA gebräuchlicher Name für Lateinamerikaner) :


"Sie springen über alle Zäune, sie kommen im Kofferraum / sie kommen durch die Kanalisation, sie kommen in Trucks / sie schwimmen durch Flüsse, sie kommen in Booten / sie bringen ihre Kinder mit, auch ihre Ziegen / sie kommen durch Tunnel, sie kommen in Flugzeugen / sie kommen überall durch, versteckt in Zügen / vernichtet dieses Ungeziefer, sie sind wie Ratten / schließt die Tür zu Mexiko, denn wir woll´n es so / Refrain - ay, ay, ay, die Bohnenfresser kommen über die Grenze / ay, ay, ay, wir alle versuchen Euch zu warnen / Wir gründen eine Armee, bewaffnen sie mit Panzern / stürmt die Tore zu Mexiko, stellt Fallen auf / Elektrifiziert die Zäune, lasst uns eine Mauer bauen / töte dir einen schmierigen spick, töte dir eienen, tötet sie alle. / Refrain - Wenn ich dir in die Augen sehe, will ich dir in den Kopf schießen / ich will all eure schmierigen spick´s sehen / ich will sie alle tot sehen / Tot, Tot, Tot, spickylla / Tötet die spick´s auf der Straße / erschießt sie in ihren Autos, schlagt ihre schmierigen Köpfe ab /stich einen in einer Bar ab / Du weißt wir übernehmen die Kontrolle / schlagt einen mit ´nem Knüppel / schließt die Tür zu Mexiko / denn wir woll´n es so / Refrain - löscht die Bohnenfresser aus."


Nur ein Beispiel zur inhaltlichen "Qualität" rechtsradikaler Liedtexte.


Rechtsextremer Terror


Auf fruchtbaren Boden fiel diese mit rechter Musik verknüpfte Netzwerkarbeit in den Zeiten des politischen Umbruchs nach der Wende 1989. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern entwickelte sich eine starke, nationalistisch geprägte extremistische Bewegung, der vor allem junge Menschen angehörten.


Der bisher traurigste Höhepunkt dieser Entwicklung sind die seit dem Jahre 2000 bis zum Jahre 2007 verübten Kapitalverbrechen des Terrornetzwerkes „NSU“, des so von den Tätern selbst genan-nten „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Am Ende hatte der „NSU“ zehn Morde, zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle verübt und bekannte sich in einem perversen Bekennervideo selbst zu diesen abscheulichen Taten. Erst nach den Selbstmorden der Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die gemeinsam mit Beate Zschäpe den Kern der Terrorgruppe bildeten, flog der NSU auf. 

 Rechtsterroristen: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe


438 Verhandlungstage waren für die Beweisaufnahme im NSU-Prozess im Saal A 101 des Münchener Oberlandesgerichts erforderlich. Dieser Prozess, der zusammen mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, dem Ausschwitz-Prozess und den RAF-Verfahren zu den größten und längsten Prozessen der Nachkriegszeit gehört, zog sich über mehr als fünf Jahre hin. Am Ende wurde die verbliebene Rechtsterroristin Beate Zschäpe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Über die von ihren Anwälten beantragte Revision dieses Urteils entschied der Bundesgerichtshof am Donnerstag, dem 19. August 2021. Die Frankfurter Allgemeine berichtete dazu:


» Beate Zschäpe ist rechtskräftig als Mittäterin der Neonazi-Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf ihre Revision mit schriftlichem Beschluss und strich nur eine Einzelstrafe, wie das Karlsruher Gericht am Donnerstag mitteilte. „Die lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe und die festgestellte besondere Schuld-schwere sind hiervon jedoch unberührt geblieben.“ «


(Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung · FAZ-Net vom 21. August 2021)


Rechte Idole und Symbole


Es sind in hohem Maße Bildungsdefizite bei den jungen Menschen, die dazu führen, dass sie sich in rechtsextremistischen Netzwerken verfangen. Meist fehlt bereits das Basiswissen über die geschichtlichen und politischen Zusammenhänge. Kenntnisse zu den Grundwerten, zum Wesen der Demokratie oder den Grundlagen unserer freiheitlichen, sozialen und demokratischen Grundordnung oder der Funktion des Rechts in unserem Staat sind oft überhaupt nicht vorhanden. Dadurch sind diese jungen Menschen extrem leicht verführbar. Vollkommen unbefangen und offen gegenüber den neuen Formen nationalsozialistischer Ideologien und angelockt durch rechte Musik gehen sie den Verführern zuerst auf den Leim und dann ins Netz. 

Aktuelles Fundstück vom November 2020


An Lichtmasten in St. Wendel ange-brachte Aufkleber. Entdeckt, foto-grafiert (und danach entfernt!) beim Spaziergang am 8. November 2020. Der Aufkleber verdeckte die Lampen-markierung der St. Wendeler Stadt-werke.

Der Druckvermerk "www.DRUCK18.de" ist bereits eindeutig und ein klarer Hinweis auf die Gesinnung, die dahinter steckt. Die Buchstaben 1 und 8 sind die ersten und achten Buchstaben im Alphabet und stehen in der rechten Szene für "Adolf Hitler".

Das Impressum der Seite (abgefragt am 3.1.2023) nennt eine "Druck18 GmbH", die ihren Sitz im südthüringischen Kloster Veßra hat und als deren Geschäftsführer ein Tommy Frenck angegeben ist. Tommy Frenck (* 1987) trat vor seinem 18. Lebensjahr der NPD bei. Im Dezember 2014 kaufte er für 80.000 Euro das Lokal Goldener Löwe im 300-Einwohner-Ort Kloster Veßra. In Frencks Gasthof finden regelmäßig Veranstaltungen der rechtsextremen freien Kameradschaftsszene in Thüringen statt.


Als Jugendschutzbeauftragter ist im Impressum ein "Dipl.-Jur." Sascha Krolzig angegeben. Krolzig wurde 1987 geboren und trat seit seiner Jugendzeit sehr aktiv als Neonazi, zunächst in NRW, später auch in anderen Bundesländern in Erscheinung. Er wurde mehrfach wegen Straftaten im Zusammenhang mit seiner nationalsozialistischen Grundeinstellung zu Freiheitsstrafen, zuerst auf Bewährung, sodann wegen Bewährungsversagens zu mehrmonatigen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt.



Es kann nicht verwundern, wenn junge Menschen in Folge ihrer Ahnungslosigkeit bewusst verdummenden Sprüchen auf den Leim gehen, wie etwa diesem: "In Frieden lebten unsre Ahnen, bis die Demokraten kamen."


Skinhead mit Hemdaufnäher "Skinheads weiss & stolz" auf einer rechten Kundgebung; Glatze oder extremer Kurzhaarschnitt kennzeichnen diese rechtsradikalen Gruppen (Foto: Marek Peters)


Fehlende Bildung und ein mangelhaftes Geschichtsbewusstsein sind auch wesentliche Gründe dafür, dass junge Menschen sich leicht einem nationalsozialistischen Personen- und Verehrungskult öffnen, der ihnen von rechtsextremistischen Netzwerken angeboten wird, wobei besonders die Nazi-Größen Adolf Hitler und Rudolf Heß im Mittelpunkt stehen. Begleitet und gefestigt wird dieser Kult durch eine eigene Körper- und Kleidersprache und vor allem durch eigene Zeichen und Symbole. Da eine öffentliche Darstellung von NS-Symbolen in Deutschland verboten ist, erfolgt der Rückgriff auf Ersatzsymbole oder verschlüsselte Zeichen.  


Skinhead mit typisch schwarzer Bomberjacke und der "88" im Lorbeerkranz auf dem Rücken. Die Zahlen stehen zweimal für den 8. Buchstaben des Alphabets und bedeuten "Heil Hitler" (Foto: Marek Peters)


Einen Überblick verschafft die Broschüre „Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und verbotene Organisationen“, die das Bundesamt für Verfassungsschutz im Oktober 2018 veröffentlichte.

Dieser Broschüre kann hier heruntergeladen werden. 



»Leaderless resitance«


Seit einiger Zeit kann man eine deutliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes der rechtsextremistischen Szene beobachten. Rechtsextremisten sind heutzutage nicht mehr ohne Weiteres an ihrem Kleidungsstil zu erkennen. Das bisher demonstrativ zur Schau gestellte typische Skinhead-Outfit (Glatze oder Kurzhaarschnitt, Springerstiefel und Bomberjacke) ist auf dem Rückzug und wird zunehmend bewusst vermieden.



Das hängt zusammen mit neuen Strategien in der rechtsextremistischen Szene, deren Hauptziel nach wie vor die Beseitigung der auf der parlamentarischen Demokratie aufgebauten Ordnung in Deutschland ist. Ein Merkmal dieses Strategiewechsels ist dabei das Schlagwort „Leaderless resitance“ (führerloser Widerstand), dem eine besondere Bedeutung zukommt. Wenige Aktivisten sollen sich in kleinen Gruppen oder Zellen zusammenschließen. Nach außen hin sollen sie unauffällig und angepasst in Erscheinung treten. Aus diesen nur schwer oder nicht erkennbaren Zellen heraus sollen die Aktivisten dann ihre Aktionen planen und eigenständig durchführen. Nach diesem Prinzip des führerlosen Widerstandes hatte im Grundsatz schon der „NSU“ während seiner jahrelangen Verbrechensserie gehandelt.


Während des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht München verlas der beisitzende Richter Peter Lang am 248. Verhand-lungstag einen Aufsatz aus einem sog. Fanzine (=Fanmagazine) der rechtsradikalen Blood-&-Honour-Bewegung (Blut und Ehre) an „Freunde und Kameraden“, der bezeichnend und aufschlussreich zugleich ist für das neuartige Auftreten der Rechtsradikalen und der sich neu formierenden rechtsextremistischen Bewegung in Deutschland. In dem Aufsatz geht es um den politischen Widerstand:


[Zitat:] »Die alten Formen des politischen Aktivismus, wie zum Beispiel der Weg über Wahlen in das Parlament, das medien-wirksame Auftreten von Fahnen schwenkenden Parteien oder das auf legaler Basis angestrebte Kaderprinzip sind überholt.


Man muss sich nicht jeden Tag in Uniform schmeißen, »Sieg Heil« brüllend und Flugblätter um sich werfend durch die Gegend ziehen. Das nützt natürlich unseren Gegnern. Man braucht auch nicht in seinen vier Wänden hocken und bei Kerzenschein auf den Umsturz warten. Gelingt es uns, mit Fantasie und Humor, aber auch mit der nötigen Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit, eine nicht angreifbare, gut vernetzte Bewegung von unabhängig agierenden Gruppen zu werden, so wird uns das Schicksal den Sieg nicht versagen.


Nur: Wir dürfen nicht auf einen eventuell irgendwann mal auftauchenden Führer warten, darauf, dass immer jemand kommt und sagt, was zu tun ist. Nein! Jeder ist dazu aufgerufen, etwas zu tun! Leaderless resistance ist die Devise! 


Zum Abschluss noch ein bemerkenswertes Zitat von Louis Beam, einem Führer des Ku-Klux-Klans: >Die Patrioten von heute müssen sich auf den größten aller Kriege, den Rassenkrieg, vorbereiten, und dafür muss man geheime Strukturen schaffen und bereit sein, sein Leben zu opfern.<« [Ende des Zitats] 


Die bis in die jüngste Zeit verübten rechtsextremistischen Terrorakte scheinen den im Aufsatz genannten Leitlinien zu folgen: Die Tat von Hanau, der Mord an Walter Lübcke, die Massaker von Christ Church und Norwegen und und und. "Wehrend den Anfängen" hatte hier keinen Widerhall gefunden.