Friedhof Neumünster


Dem vielfältigen sepulkralen Erbe des Saarraumes fügt der alte katholische Friedhof Neumünster mit einer seltenen Besonderheit ein weiteres Element hinzu: einen während der Zeit des Nationalsozialismus errichteten Kreuzweg, dessen einzelne Stationen zugleich Grabmale sind. Solche Gräberkreuzwege lassen sich deutschlandweit nur vereinzelt finden und stehen bislang kaum im Fokus der Forschung. Der 1835 eröffnete, mehrfach erweiterte und zuletzt 2006 belegte Friedhof am Ostrand der Stadt hat zudem noch große Teile seiner historischen Umfassungsmauer bewahrt, eine kleine Trauerhalle aus dem Jahr 1934, ein Priestergemeinschaftsgrab mit regional bekannten Persönlichkeiten wie dem politisch und kirchenhistorisch engagierten Pfarrer Johann Anton Joseph Hansen (1801–1875), sowie noch einzelne bedeutsame Familiengräber. Bemerkenswert sind auch die Denkmäler und Gräber der Kriege 1870-71, 1914-18 und 1939-45.

Dr. Rainer Knauf, Landesdenkmalamt



Der Anlass zur Anlage des Friedhofs

Auf den ersten Blick war es eine staatliche Anordnung, die für die katholische Gemeinde zum Anlass für die Errichtung eines neuen Friedhofs wurde. Die im Jahr 1831 erstmals in Deutschland aufgetretene Cholera-Epidemie löste in Preußen eine Reihe von Abwehrmaßnahmen aus, die von einer sog. »Immediat-Commission« koordiniert und durch die unteren Ebenen des Staates umgesetzt  wurden. In Bezug auf das Friedhofswesen befürchtete man, dass von den Leichen der an Cholera Verstorbenen der Krankheitserreger ins Grundwasser oder durch Verdunstung in die Luft gelangen könne. Diese Befürchtungen waren berechtigt, denn zu jener Zeit schöpften die Menschen ihren Wasserbedarf aus den zahlreichen öffentlichen Brunnen und Quellen; manche Häuser, auch in Ottweiler, hatten sogar eigene Brunnen. Daher verfügte Landrat Carl von Rohr (Amtszeit 1825-1842) am 1. November 1831 für den 10. November des gleichen Jahres die Schließung aller Friedhöfe, die sich innerhalb der bebauten Ortslagen befanden. Die Friedhöfe mussten außerhalb der Orte verlegt werden, was bedeutete, dass sie dort neu zu errichten waren. Von dieser Maßnahme war auch die katholische Gemeinde von Ottweiler betroffen, die ihren alten, zwischen den Häusern und den zahlreichen Brunnen und Quellen gelegenen Friedhof an der Klosterstraße schließen musste. Da das Friedhofswesen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Staates fiel, hatte die landrätliche Verfügung einen direkten Anspruch auf Befolgung bzw. Ausführung. Das hierbei zugrundeliegende Recht war der »Code Civil«, das von Napoleon Bonaparte 1804 eingeführte Zivilrecht, das während des gesamten 19. Jahrhunderts in den linksrheinischen Gebieten Preußens gültig blieb.

Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass sich die Ottweiler Katholiken zu jener Zeit auch ohne das seuchenbedingte Eingreifen des Staates Gedanken über einen neuen Friedhof hätten machen müssen. Denn der bis zur angeordneten Schließung genutzte Kirchhof an der Klosterstraße war größenmäßig an seine Grenzen gestoßen. Nach einer damals angewandten alten Faustregel rechnete man für 1.000 Einwohner mit einer Kirchhofsfläche von 3.300 m², von der 2.000 m² auf die Gräber und 1.300 m² auf Wege, Freiflächen etc. entfielen. Der Friedhof an der Klosterstraße war rund 900 m² groß. Die Zahl der Katholiken allein in der Stadt Ottweiler hatte sich innerhalb von rund 50 Jahren aber mehr als versechsfacht (1797: 65, 1843: 401). Angesichts der zunehmenden Bebauung in der Klosterstraße war an eine Erweiterung dort nicht zu denken.

Die Abbildungen zeigen links den katholischen Kirchhof in einer Rekonstruktion der Klosterstraße nach den Bannbüchern von 1741 und 1766 und rechts seine Lage in einem Ausschnitt aus der »renovierten nassauischen Flurkarte von 1822«. Der Friedhof lag auf den heutigen Grundstücken Klosterstraße 4 und 6.

Der neue Friedhof in der städtischen Baumschule: eine Zwischenlösung

Der Landrat bekräftigte am 21. November 1831 seine am Monatsanfang erlassene Verfügung in einem Schreiben an den Ottweiler Bürgermeister Johann Peter Sprenger (Amtszeit 1822-1849), indem er ausführte: »Nochmals mache ich Sie und die Ortsvorsteher persönlich dafür verantwortlich, daß durchaus keine Leiche mehr auf einem im Ort gelegenen Kirchhof begraben werde. Zugleich ordnete der Landrat an, dass für die polizeilich geschlossenen Friedhöfe unverzüglich neue, außerhalb der Ortschaften gelegene Kirchhöfe anzulegen seien.

Bereits wenige Tage später fasste der Stadtrat am 1. Dezember 1831 den Beschluss, der katholischen Gemeinde die untere Hälfte der städtischen Baumschule an der Straße nach Stennweiler als Beerdigungsplatz anzubieten. Als Kaufpreis wurden 25 Taler (in heutiger Währung 963 Euro) festgesetzt, dessen Fälligkeit aber wegen der ohnehin schlechten wirtschaftlichen Lage der Katholiken und des bevorstehenden Neubaus einer Kirche bis auf weiteres ausgesetzt wurde. Der neue Friedhof, der sich auf den heutigen Grundstücken der Stennweilerstraße 21 und 23 befand, wurde von der königlichen Regierung in Trier im Sommer 1832 genehmigt. Mit 1.100 m² war er für die katholische Gemeinde zwar ausreichend groß, allerdings erwies sich die Bodenbeschaffenheit für einen Begräbnisplatz als ungeeignet. Dies führte nicht nur zu Beschwerden aus der Bürgerschaft sondern auch zu einer Eingabe (Klageschrift) an die Provinzialregierung in Trier. Das hatte zur Folge, dass das Gelände gutachterlich durch eine Expertenkommission auf seine »Friedhoftauglichkeit« untersucht wurde. Das Ergebnis lag im Juni 1834 vor und fiel negativ aus, so dass der katholische Friedhof kurz danach geschlossen wurde. Er war aus heutiger Sicht nur eine Zwischenlösung.


Der neue Friedhof Neumünster entsteht

Am 12. Juni 1834 beauftragte der Landrat den Bürgermeister mit der Suche nach einem neuen Begräbnisplatz. Schon einen Tag später forderte Bürgermeister Sprenger die katholische Gemeinde auf, ein geeignetes Grundstück vorzuschlagen. Da seitens der Pfarrei keine Reaktion erfolgte, wählte der Bürgermeister aus zwei seiner Meinung nach geeigneten Standorten den besten aus und entschied sich für den Ankauf eines Teilgrundstücks an der Betzelbach, das dem Ackerer Christian Wachter gehörte und von diesem als Kartoffelacker genutzt wurde. Am 22. Juli 1834 wurde der Kaufvertrag zwischen dem Bürgermeister Sprenger, der als gesetzlicher Vertreter der katholischen Gemeinde handelte, und Christian Wachter geschlossen. In diesem Vertrag waren sowohl die Parzellennummer (Nr. 126 im Flur 13), die Größe des verkauften Teils (½ Morgen nassauischen Maßes, etwa 1.180 m²) und natürlich auch der Kaufpreis von 40 Talern (heute etwa 1.540 Euro) enthalten.
Geometrischer Plan aus dem Stadtarchiv

Nach diesem Kaufakt setzten die ersten konkreten Planungsarbeiten ein, denn im Stadtarchiv fand sich ein »Geometrischer Plan«, der nach dem Kauf erstellt wurde. Er enthält genaue Angaben über die Lage und Größe des neuen Friedhofs und über die Dimensionen seiner Umfassungsmauer. Die Transkription des teilweise in englischer Schreib- und deutscher Kurrentschrift abgefassten Textes ergibt folgenden Wortlaut:

»Geometrischer Plan über Flur 13 Nr. 126/1 enthält 83 r. 43 f. Ackerland aufm Betzelhübel zur Anlegung eines Kirchhofs der Katholischen Gemeinde Ottweiler · Die Umfassungsmauer beläuft sich auf 44 R. 6 F. 6 Zoll nämlich 13 r 5 f 3 z lang und 8 rth 8 F breit Nassauers Maaß.«

Die in diesem Plan enthaltene Skizze der einzelnen Flurstücke (Parzellen) lässt sich mühelos in die Flurkarte des preußischen Urkatasters übertragen, die etwa ein Jahrzehnt nach der Herstellung des geometrischen Plans von der preußischen Regierung herausgegeben wurde. Da die Herausgeber der im Jahr 1980 erschienene Übersichtskarte zur Häuser- und Familien-Chronik der Stadt Ottweiler die Flurkarten des preußischen Urkatasters als Grundlage benutzten, konnte eine Überlagerung des geometrischen Plans mit dieser Übersichtskarte vorgenommen werden. Nach dem Einnorden des Plans (Drehung nach rechts um etwa 90°) fügte er sich problemlos in das Parzellengefüge der Karte ein. In der Abbildung oben ist der Plan blau eingefärbt.

Überlagerung des Geometrischen Plans mit der Flurkarte

Bei genauer Betrachtung der Übersichtskarte zur Chronik erkennt man, dass dort die Parzelle des Friedhofs bereits enthalten ist. Das ursprünglich dem Ackerer Christian Wachter gehörende Flurstück trug die Nr. 126 und wurde nach dem Kaufakt in die beiden Parzellen 126/1 und 126/2 geteilt. Im Kaufvertrag verpflichtete sich der Verkäufer, bei der nächsten Güterfort-schreibung auf seine Kosten das Grundstück der katholischen Gemeinde zuschreiben zu lassen. Das geschah so, denn in den 1847/49 entstanden Flurkarten des preußischen Urkatasters wurden beide Parzellen eingezeichnet, wie in der Übersichtskarte zur Chronik zu sehen ist.

Die für den Friedhof vorgesehene Parzelle 126/1

Der im Auftrag des Bürgermeisters erstellte geometrische Plan gibt nicht nur Auskunft über die Lage der für den Friedhof vorgesehenen Parzelle, sondern auch über deren Größe und über die Ausmaße der Mauer, mit der der Kirchhof nach den damals geltenden kirchlichen Vorschriften zu umschließen war. Die dabei angewandten Maßeinheiten waren Rute, Fuß und Zoll nassauischen Maßes. Umgerechnet in metrische Maße ergab sich eine Gesamtlänge der Mauer von 144 Metern, die eine trapezförmige Friedhofsfläche umschloss. Die einzelnen Seitenlängen der Mauer waren im Norden 33,5 m, im Osten 45 m, im Süden 26 m und im Westen 40 m. Die Gesamtfläche des Friedhofs betrug 1.180 m².

Die Seitenlängen des Friedhofs

Vermutlich wurde die Herstellung der Friedhofsmauer an den Maurermeister Joseph Lerch aus der Klostergasse vergeben. Dieser hatte in den Jahren 1832 bis 1834 mit seinen Söhnen Johannes und Johann bereits den Neubau der katholischen Kirche in der Neumünsterer Vorstadt ausgeführt.

Die beiden Bilder zeigen den heutigen Zustand des ersten, ursprünglichen Teils des Friedhofs. Auf dem linken Foto ist die Südwestecke und auf dem rechten die Nordmauer mit dem ersten Friedhofstor zu sehen. Die Steine für die Mauer wurden möglicherweise in dem direkt beim Friedhof gelegenen Steinbruch gebrochen, der wenige Jahrzehnte später im Eigentum der Familie des Maurermeisters Lerch stand.

Die drei Aufnahmen stammen aus dem Nachlass der Familie des Pfarrers Ludwig Gillen (1913 – 1981), der im Priestergrab beigesetzt wurde. Die Bilder zeigen die Belegung des ersten Teils des Friedhofs im Jahr 1972, dem Jahr der Außerdienststellung der Begräbnisstätte.

Die erste Beisetzung
Johann Sebastian Kranz, geboren am 15. September 1763, Pfarrer in Ottweiler seit dem 8. August 1811 und seit dem 27. November 1827 Dechant des neu errichteten Landkapitels Ottweiler, verstarb am 14. April 1835. Drei Tage später, am Karfreitag, dem 17. April 1835 erfolgte seine Beisetzung durch den Saarbrücker Dechanten Badem auf dem neuen Friedhof Neumünster, »auf freiem Feld«, wie es in den Überlieferungen heißt. Kurze Zeit später erfolgte die Fertigstellung der Umfassungsmauer, in deren Nordseite mittig ein Tor eingefügt wurde.

Nachbemerkungen
1. Bürgermeisterei und königliches Landratsamt in Ottweiler
Das Alte Rathaus im Jahr 1935
Diese beiden unteren Organe der staatlichen Verwaltung waren im 19. Jahrhundert noch keineswegs so ausgeprägt, wie wir es heute kennen. Die Verwaltung des seit 1816 bestehenden Landkreises Ottweiler bestand aus genau drei (!) Personen: dem königlichen Landrat, einem Kreissekretär und einem Kreisboten. Auch die Bürgermeisterei war nicht größer. Landrats- und Stadtverwaltung waren jahrzehntelang im gleichen Gebäude untergebracht, dem heutigen alten Rathaus. Im ersten Stock des 1717 erbauten Gebäudes waren der kreisständige Sitzungssaal und die Lokale des Friedensgerichts, im zweiten das königliche Landratsamt und die Diensträume des Bürgermeisters untergebracht. Der dritte Stock war als Bürgermeisterwohnung vermietet.

Die Dienstzeit des während der Entstehung des Friedhofs amtierenden Landrats Carl von Rohr fand ein abruptes und unrühmliches Ende. Wegen schwerer dienstlicher Verfehlungen wurde er am 1. Oktober 1842 seines Amtes enthoben und durch einen kommissarischen Verwalter aus dem Trierer Regierungspräsidium ersetzt. Ganz anders erging es Johann Peter Sprenger. Nach 27 Jahren als Ottweiler Bürgermeister stand er noch über zwanzig Jahre als Landrat von Bitburg im Dienst, bevor er nach seiner Pensionierung am 31. März 1871 nach Ottweiler zurückkehrte und hier am 27. Juli 1875 verstarb.

2. Weltliche und kirchliche Verantwortlichkeiten im Friedhofswesen
Während der Errichtung des Friedhofs waren die Beziehungen zwischen Staat und Kirche durch das seit Napoleon geltende Recht geprägt, das auch in den linksrheinischen Gebieten des preußischen Staats ab 1816 nahezu unverändert weitergalt. Die Kirchengemeinden von Ottweiler waren in ihren finanziellen Angelegenheiten nicht selbstständig, ihre Kirchenrechnungen wurden als eigene Titel im städtischen Haushalt geführt. Für die weitere Erforschung der Geschichte der Friedhöfe von Ottweiler (evangelisch, katholisch, jüdisch und paritätisch) im Allgemeinen und der des katholischen auf dem Neumünster im Besonderen ist daher neben der Recherche in den kirchlichen Archiven parallel auch die Durchsuchung des Stadtarchivs von Ottweiler erforderlich.

Erste Erweiterung im Jahr 1869 (1856)

Im 19. Jahrhundert waren sowohl die allgemeine Mortalität der Bevölkerung wie auch die Kindersterblichkeit sehr hoch. Zudem waren auf den kirchlichen Begräbnisplätzen ausschließlich Ganzkörperbestattungen in Särgen erlaubt. Unter diesen Bedingungen gelangte die Kapazität des 1835 eingeweihten Friedhofs Neumünster schon bald an seine Grenzen. Für die katholische Gemeinde bedeutete dies, dass sie sich mit dem Thema Erweiterung befassen musste.

Der konkrete Hinweis über die erste Erweiterung findet sich bei Kurt Lauermann in seiner „Geschichte der Friedhöfe in Ottweiler“. Dort berichtet er zum Friedhof Neumünster auf Seite 47: »Der Kirchhof wurde in der Folgezeit dreimal vergrößert, zum erstenmal im Jahre 1869 zur Zeit des Pfarrers Hansen. Damals wurde er erweitert bis zu dem Weg zwischen den beiden Toren auf der Höhe des Steinkreuzes unter der Trauerweide.« Nach Lauermann wurde der am 3. Oktober 1869 verstorbene Blechschmied Johann Friedrich als erster auf dem neuen Teil des Friedhofs beigesetzt. Dies wird durch die Angaben zur Person des Johann Friedrich auf der Seite 301 der Häuser- und Familienchronik bestätigt. Dort heißt es: »B. (V. 4) [Friedrich] Johann, Blechschmied, heirathete 1865 die (E.) Louise Lichtenberger aus Ottweiler. Er starb am 8. October 1869. Seine Leiche war die erste, welche auf dem neuen Theile des erweiterten Begräbnisplatzes (links oben in der Ecke) beerdigt wurde.« In der Chronik ist der Todestag mit dem 8. Oktober angegeben.
Die erste Erweiterung, vermutlich durch die Parzelle 127/1, auf der Flurkarte

Den Angaben Lauermanns folgend wurde diese erste, im Jahr 1869 erfolgte Erweiterung auf einem Teilstück der Parzelle Nr. 127 ausgeführt, wobei diese Parzelle wahrscheinlich in die neuen Parzellen 127/1 und 127/2 geteilt wurde, so wie dies im Jahr 1835 mit der Parzelle Nr. 126 des Ackerers Christian Wachter praktiziert worden war. Mit der Erweiterung vergrößerte sich der Friedhof um etwa ¾ der bisherigen Fläche und damit in beachtlichem Umfang.
 
Der von Johann Anton Joseph Hansen in der »Chronik der katholischen Pfarrei Ottweiler« im Jahr 1856 gemachte Eintrag »Am Montage, den 15. September, feierliche Einweihung des Kirchhofs zu Neumünster« (Chronik, Seite 202) bezieht sich offenbar auf ein Teilstück der ersten Erweiterung, die demnach 13 Jahre zuvor erfolgte. In der Chronik fehlen nähere Angaben zum Grund dieser feierlichen Einweihung, so dass es sich dabei möglicherweise um die Benediktion eines Teilstücks dieser ersten Friedhofserweiterung handelte.

Die zweite Erweiterung im Jahr 1893

Kurt Lauermann vermerkt zu dieser zweiten Erweiterung: »Unter Pfarrer Dr. Joseph Rickel wurde 1893 der Teil bis zu der Treppe, die in den oberen Teil führt, angekauft und zum Kirchhof hergerichtet. Teile der alten Umfassungsmauer sind beiderseits der Treppe heute noch zu sehen.« Unter Pfarrer Dr. Joseph Rickel wurde 1893 der Teil bis zu der Treppe, die in den oberen Teil führt, angekauft und zum Kirchhof hergerichtet. Teile der alten Umfassungsmauer sind beiderseits der Treppe heute noch zu sehen.«

Über die Größe dieser Erweiterung gibt ein aus dem Stadtarchiv stammender undatierter Lageplan Auskunft. Die darin enthaltene Planskizze lässt sich erneut mühelos mit der oben bereits erwähnten zeitgenössischen Flurkarte in Einklang bringen. Aus dieser im Maßstab 1:1250 gefertigten Planskizze ergibt sich auch, dass sich südlich des Friedhofsgeländes ein größerer Steinbruch befand, der dem Louis Lerch, einem in Ottweiler bekannten Maurermeister, gehörte.

Überlagerung der Planskizze aus dem Lageplan (blau) mit der Flurkarte

Der Lageplan enthält nicht nur die Lageskizze mit den genau bezeichneten Parzellen, sondern auch eine handschriftliche Anmerkung zu der geplanten Vergrößerung des katholischen Begräbnisplatzes. Die Transkription dieses Textes ergibt den folgenden Wortlaut:

»Anmerkung:
Der auf Parzelle Flur 13 No. 1084/184 befindliche Begräbnisplatz soll
vergrößert werden u. die Parzellen No. 1084/184, 1085/188 u. 1088/188 dazu kommen.
Die am Eingang desselben aufzuführende Mauer soll, wie die alte
auf die Grenze zu stehen kommen, da vor derselben, wie in der Zeichnung
in blau angedeutet, bis zur eigentlichen Fahrbahn noch ein, über
einen Meter breites Gemeindeterrain liegt; die obere Mauer soll
dagegen von der Grenze des an der Parzelle No. 557/235 vorbeiführenden
Feldweges 0.75 Meter ab zu stehen kommen.«


Der Lageplan zeigt, dass sich die Numerik im Katasterwesen geändert hatte, was im Zusammenhang mit dem seit 1872 geltenden neuen Preußischen Grundbuchrecht stehen dürfte, das  verschiedene neue Katasteranweisungen mit sich brachte und den Übergang vom Steuerkataster in das Eigentumskataster markierte.
Die drei für die Erweiterung vorgesehenen Parzellen (gelb eingerahmt) im Lageplan

Aus den Eintragungen der Planskizze geht hervor, dass gut die Hälfte der für die Erweiterung benötigten Grundstücke dem August Lerch und dem Louis Lerch gehörte, wobei letzterer direkt südlich des Friedhofs einen Steinbruch besaß. Zu dieser in der Klosterstraße beheimateten Familie Lerch (ursprünglich: Lärcher) liegt eine ausführliche Genealogie in der Häuser- und Familienchronik vor, die allerdings 1870 endet. August Lerch dürfte daher nachgeboren sein und bei Louis Lerch ist nicht klar, ob es sich um den am 30. Dezember 1854 geborenen Ludwig Lerch handelt. Sicher hingegen ist, dass das Maurerhandwerk seit Generationen in der Familie betrieben wurde. Joseph, Johann und Johannes Lerch waren Maurermeister und an vielen Bauten in Ottweiler, darunter auch der Neubau der katholischen Kirche (1832 bis 1834), beteiligt. Es liegt nahe, dass die Familie Lerch auch den Bau der Friedhofsmauer ausführte.

Blick nach Nordwesten über den Friedhof
Die nebenstehende Aufnahme aus dem Nachlass Gillen zeigt einen Blick in nordwestliche Richtung auf das zweite Drittel des Friedhofs in den 1970er Jahren. Die in der Bildunterschrift gemachte Anmerkung, dieser Teil sei unter Pastor Hilterscheid angelegt worden, kann nicht zutreffen, da dieser erst am 1. Oktober 1898 zum Pfarrer in Ottweiler bestellt wurde. Dr. Joseph Rickel war hingegen als erster Pfarrer nach dem Kulturkampf vom 17. Oktober 1885 bis zum Sommer 1896 Pfarrer von Ottweiler.

Blick nach Nordosten über die oberen Grabreihen der zweiten Erweiterung

Die auf dem Foto zu sehenden weißen Holzkreuze gehören zu den „Engelgräbern“, in denen verstorbene Säuglinge und Kleinkinder bestattet wurden. Die Treppe vom zweiten in das letzte Drittel des Friedhofs wurde nach seiner Stilllegung zurückgebaut und mit Geländern versehen. Die quer über die gesamte Breite des Friedhofs verlaufende Heckenreihe wurde entfernt.
Der obere Teil des Friedhofs im Jahr 2018
Auf dem Foto rechts sind beiderseits der Treppe noch die Reste der alten Friedhofsmauer (weiße Pfeile) zu sehen, mit der der Kirchhof nach der zweiten Erweiterung im Jahr 1893 in Richtung Osten abgeschlossen wurde.

Dritte und letzte Erweiterung im Jahr 1929

Auch zu dieser letzten Erweiterung des Friedhofs soll zunächst aus dem Aufsatz „Die Geschichte der Ottweiler Friedhöfe“ von Kurt Lauermann zitiert werden: »1929 wurde unter Pfarrer Karl Stephan Schütz der Kirchhof letztmalig erweitert, und zwar um den Teil, in dem heute die Kapelle steht. Damals mußte auch der Feldweg hinter der oberen Friedhofsmauer [ … ] um etwa 25 Meter nach oben verlegt werden.«

Der am 29. März 1892 in Tholey geborene Karl Stephan Schütz war im Jahr 1928 zum Pfarrer in Ottweiler bestellt worden und blieb hier bis zum Jahr 1936.

Ausschnitt aus der Topografischen Karte 1:5000, herausgegeben im Jahr 1936

Der hier abgebildete Kartenausschnitt zeigt die Lage des Friedhofs kurz nach Fertigstellung der letzten Erweiterung. Die Karte wurde im Jahr 1936 herausgegeben, die kartografischen Arbeiten erfolgten jedoch zwei Jahre zuvor, nach der fotogrammetrischen Auswertung der Luftbildaufnahmen im Jahr 1934, also nur fünf Jahre nach der letzten Friedhofserweiterung.

Der Kartenausschnitt ist in mehrerer Hinsicht informativ:
1. Er zeigt die parzellengenaue und endgültige Größe des Friedhofs.
2. Der neue, um etwa 25 Meter versetzte Feldweg ist deutlich erkennbar.
3. Die Friedhofskapelle war bereits im Jahr 1934 vorhanden.
4. Die beiden Gerätehäuschen an der Südmauer sind deutlich erkennbar.
5. Das Wegenetz auf dem Friedhof ist lagegetreu eingezeichnet.
6. Südlich des Friedhofs ist der vormalige Steinbruch des Louis Lerch zu erkennen.


Die Karte zeigt die Überlagerung (blau) der Flurkarte von 1870 mit der Topografischen Karte von 1936. Der alte Feldweg wurde nach Osten hinter die Friedhofsmauer verlegt. An seiner Stelle entstand eine Böschung mit zwei Treppen (in der Mitte und an der Nordmauer) und eine über die ganze Breite verlaufende Hecke. Erkennbar sind die Kapelle und die Geräteschuppen in der Südostecke des Friedhofs sowie der in der Mitte der Südmauer.


Auf der Farbaufnahme ist die Friedhofskapelle in ihrem heutigen Zustand zu sehen. Die beiden anderen Fotos entstanden am 20. September 1939 während der Beisetzung eines französischen Offiziers. Auf der rechten Aufnahme sieht man den in die Südostecke hineingebauten, mit einem Pultdach versehenen Abstellraum. Die Friedhofskapelle und der Abstellraum wurden 1934 durch die Firma Sick & Söhne errichtet. Architekt war der am 8. Dezember 1894 in Hagen geborene Heinrich Krumpen, der bis zu seinem Tod am 8.12.1962 in Ottweiler lebte.
Die beiden Fotos aus dem Nachlass Gillen zeigen die Belegung des oberen Friedhof im Jahr 1972.

Zusammenfassende Übersicht der Erweiterungen

Die erste Anlage des Friedhofs Neumünster im Jahr 1835 erfolgte aus seuchenhygienischen Gründen außerhalb der bebauten Ortslage, die drei Erweiterungen jeweils aus Kapazitätsgründen. Pfarrer Hansen ließ den Friedhof 1869 erstmals erweitern. Unter dem ersten Pfarrer nach dem Kulturkampf, Dr. Joseph Rickel, kam es 1893 zur größten Erweiterung, bei der die Friedhofsfläche nahezu verdoppelt wurde. Die letzte Erweiterung erfolgte 1929 unter der Leitung von Pfarrer Karl Stephan Schütz. Unter seiner Regie wurde 1934 auch die Friedhofskapelle gebaut. Das aktuelle Luftbild zeigt den ersten Friedhof von 1835 und die drei Erweiterungen.
Luftbild des Friedhofs mit den drei Erweiterungen

Die geplante Erweiterung des Jahres 1964

Aus dem 1959 eingeführten Lagerbuch der Pfarrei geht hervor, dass die katholische Kirchengemeinde im Jahr 1964 eine große Friedhofserweiterung um mehr als das Doppelte der bisherigen Fläche plante. In das Lagerbuch ist eine Topografische Karte im Maßstab 1:5000 eingelegt, auf der die Parzellen auf dem Gelände östlich des Friedhofs mit den entsprechenden Nummern eingetragen sind.

Ausschnitt aus der dem Lagerbuch beigefügten Karte. Gelb umrandet sind die Parzellen der geplanten Erweiterung

Zu den ersten vier dieser Parzellen findet sich in der Abteilung Grundvermögen des Fabrikfonds auf Seite 10 des Lagerbuchs der Eintrag, dass diese im Jahr 1964 von der Pfarrei zur Erweiterung des Friedhofs angekauft worden waren. Im Einzelnen waren dies:
• Parzelle 237, Größe 26,04 a von Lichtenhagen
• Parzelle 847/238. Größe 12,20 a von Kath. Zimmer
• Parzelle 848/238, Größe 12,20 a von Gertrud Philippi und
• Parzelle 790/239. Größe 23,08 a von Edmund Krämer.
Als Kaufpreis für alle vier Grundstücke ist der Betrag von 7.352 DM angegeben. Da die  Gesamtfläche der vier Grundstücke 735,2 m² beträgt, lag dem Ankauf ein Quadratmeterpreis von 10 DM zugrunde.

Noch heute werden diese vier Grundstücke in der Umgangssprache „Kirchenland“ genannt.

Zur vorgesehenen Erweiterung kam es indes nicht. Auf der gleichen Seite des Lagerbuchs ist vermerkt, dass am 29. Dezember 1972 zwischen der kath. Kirchengemeinde Ottweiler und der Stadt Ottweiler ein zum 1. Januar 1973 wirksamer Pachtvertrag geschlossen wurde. Damit war die Kommunalisierung des Friedhofswesens eingeleitet, was im letzten Eintrag des Lagerbuchs zum Ausdruck kommt, wonach die Stadt Ottweiler seit 1983 den Friedhof für Reihengräber und Familiengrabstätten geschlossen hatte und Beerdigungen nur noch in bereits gekauften Familiengrabstätten möglich waren.





wird fortgesetzt 29.10.2025 · hwb