Urgeschichte unserer Heimat
Heidelbergmensch und Neandertaler sind berühmt gewordene Vorläufer des modernen Menschen, die vor Urzeiten weite Teile Mitteleuropas besiedelten. Auch in unserer Gegend reichen die ältesten Zeugnisse für eine menschliche Besiedlung bis in die Altsteinzeit vor rund 100.000 Jahren zurück. Welche Menschen lebten in diesen urgeschichtlichen Zeiten hier? Wir wissen heute, dass beim Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren Menschen des Typs Homo sapiens vom Mittelmeerraum aus der nach Norden weichenden Eisgrenze nachgezogen sind. Nach Abschluss dieser Wanderungsbewegungen während der Jungsteinzeit waren weite Teile Mitteleuropas von sogenannten Nordleuten besiedelt. Diese hier sesshaft gewordenen Vorläufer der modernen Menschen lebten überwiegend als Bauernvölker auch in Siedlungsräumen zwischen dem Rhein im Osten, der Mosel im Westen und Norden und der Saar im Süden. Etwa 2.000 v. Chr. drangen dann während der ersten indogermanischen Völkerwanderung fremde Volksgruppen, unter ihnen vor allem in großer Zahl die kriegerischen Streitaxtleute aus dem Südosten und die Glockenbecherleute von der iberischen Halbinsel, in den mitteleuropäischen Raum und damit in das Siedlungsgebiet der Nordleute ein.
In den letzten Jahrhunderten vor dem Beginn unserer Zeitrechnung kam es zur Verschmelzung der Bauernvölker mit den Streitaxtleuten, aus der die ersten Stämme der Urgermanen hervorgingen. Gleichzeitig bildeten sich während der Älteren Bronzezeit um 1200 v. Chr. in Süddeutschland, der Nordschweiz und in Teilen Ostfrankreichs die Urkelten mit ihren bäuerlich geprägten Lebensformen heraus. Im Zuge der zweiten indogermanischen Völkerwanderung folgte der Einbruch völkerreicher Stämme aus dem Osten in das Gebiet der Urkelten. Auch nach dem Zusammentreffen dieser beiden unterschiedlichen Kulturkreise kam es zu einem allmählichen Verschmelzungsprozess, aus dem schließlich das Volkstum der Kelten hervorging.
Siedlungsgebiete der Kelten in der Hallsteinzeit mit der Lage des heutigen Saarlandes
Im Gebiet des heutigen Saarlandes, des angrenzenden Lothringens und des Moselraumes siedelten zu dieser Zeit die keltischen Volksgruppen der Mediomatriker und der Treverer, die beide der La-Tène-Kultur zugerechnet werden, die sich zum Ende des 6. Jh. v. Chr. unter mediterranem, vor allem etruskischem Einfluss aus der Hallstattkultur heraus entwickelt hatte. Die heutigen Stadtnamen von Metz und Trier gehen auf diese Volksbezeichnungen zurück.
Dieser kurze Abriss über die Urgeschichte und die Zeit des Altertums im heutigen Saarland und damit auch in der Gegend um Ottweiler sagt uns vor allem, welche Menschen in jener Zeit hier lebten, aber noch wenig darüber, wie sie lebten, mit welchem Kult und Ritus und in welcher Gesellschaftsform. Dies soll in groben Zügen und konzentriert auf die Zeit der La-Tène-Kultur im folgenden Abschnitt dargestellt werden.
Gesellschaft, Kult und Ritus der Kelten in unserer Region
Die unterschiedlichen Volksstämme der Kelten setzten sich aus großen Familienverbänden, sogenannten Clans, zusammen. Ihre Stammesführer waren die Druiden und Barden. Zwar wurden die Clans überwiegend von Männern angeführt, doch besaßen auch die Frauen großen Einfluss.
Ihre kulturelle Identität bildeten die Kelten der damaligen Zeit zum einen durch die seit Generationen weitergegebenen mündlichen Überlieferungen und zum anderen durch die vielfältigen Ausdrucksformen ihrer eigenständigen Kunst und Kultformen. Eine bis heute rätselhaft gebliebene Besonderheit ist dabei die Tatsache, dass von den Kelten keine schriftlichen Überlieferungen bekannt sind. Sie fehlen vollständig. Bei den überlieferten Kultformen richtet sich unser Hauptaugenmerk immer wieder auf die Bestattungsriten, weil es vor allem Gräber sind, auf die wir bei den Ausgrabungen in unserer Gegend stoßen. Erst bei der vollständigen Freilegung dieser Grabstätten treten dann neben den menschlichen Überresten der Bestatteten selber auch die Gegenstände zu Tage, die den Toten beigegeben waren und die, je nach dem gesellschaftlichen Stand des Verstorbenen, von besonderer Schönheit und Wert waren. Architektonische Überreste aus der Keltenzeit sind im heutigen Saarland kaum greifbar, da die überwiegend aus Holz und Lehm errichteten Bauwerke die Zeiten naturgemäß nicht überstehen konnten. Die Steinbauweise wurde erst viel später unter der römischen Herrschaft üblich.
Die in unserer Gegend ansässigen Kelten der La-Tène-Zeit gehörten schon lange nicht mehr zu den Wandervölkern, sondern hatten sich hier fest niedergelassen, ohne sich indessen von der Außenwelt abzuschotten. Vielmehr sind weitreichende Handelsbeziehungen mit anderen Stämmen und Volksgruppen belegt, wodurch sie einerseits ihre eigenen kulturellen Errungenschaften weitergaben, zum anderen aber auch Eigenarten fremder Kulturen in ihre eigenen Gebräuche und Sitten aufnahmen. Sie waren friedliche Bauernvölker, aber auch bereit und in der Lage, ihre Besitzungen gegen Anfeindungen von außen zu verteidigen. Dem entsprechend fertigten sie ihre Geräte und Werkzeuge des täglichen Bedarfs vorwiegend zum Zwecke des Ackerbaus, der Viehzucht, Vorratshaltung, Lagerung und für den Transport ihre Güter. Bereits seit der Bronze- und der Eisenzeit waren die Materialien und Techniken dazu vorhanden; sie wurden immer weiter verfeinert und durch neue Erfindungen ergänzt. Auch für ihr Äußeres hatten die Kelten viel übrig. Sie fertigten sich zweckmäßige und schöne Kleidung und legten sich kunstvoll gearbeiteten Schmuck an. Besonders reichhaltig und aufwendig verarbeitet wurden diese Schmuckstücke natürlich für die Angehörigen der Führungsschicht und der keltischen Fürstenfamilien.
Kurz hinter dem deutschen Zugang zum Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim befindet sich ein Frauengrab aus der Zeit um 370 v. Chr., dessen rekonstruierter, begehbarer Grabhügel zu den bedeutendsten aus keltischer Zeit in ganz Mitteleuropa zählt. Dieses Fürstinnengrab von Reinheim wurde im Jahre 1954 bei Arbeiten in einer Sandgrube entdeckt. Die dabei ans Licht gebrachten Funde waren sensationell und lösten große Aufmerksamkeit unter den Wissenschaftlern, besonders in der Archäologie aus. Sehr eindrucksvoll ist in der Grabkammer die Bestattung der Fürstin dargestellt mitsamt der ihr beigelegten Gegenstände für das Jenseits. Darunter befinden sich die berühmte Reinheimer Kanne aus Kupfer und die aus reinem Gold gefertigten Hals- und Armringe der Fürstin. Nach den keltischen Vorstellungen benötigten die Toten Speise und Trank für ihre Reise ins Jenseits, Schalen für die Speisen und Becher und Trinkhörner für den Trank. In Gräbern von keltischen Kriegern fand man häufig zusätzlich ihre Waffen, die jedoch durch Verbiegen unbrauchbar gemacht wurden, weil die Krieger sie im Tod ja nicht mehr brauchten. (Fotos: H. W. Büchel · August 2020)
Für unabdingbare kriegerische Auseinandersetzungen besaßen sie die erforderlichen Waffen, die sie zu Fuß wie auch zu Pferd einsetzten. Zweckmäßig aber auch kunstvoll gearbeitete Schwerte und Schutzschilde, Panzerungen, Speere, Pfeile und Bögen legen davon ein beredtes Zeugnis ab. In ihrer Gesamtheit dürfte es sich bei den Kelten um selbstbewusste und mutige Volksstämme gehandelt haben. Nicht umsonst wurden sie von den Römern Celtae oder Galli und von den Griechen Keltoi oder Galatoi genannt; beides heißt übersetzt nichts anderes als „die Tapferen“.
Die Bilder zeigen Eindrücke vom keltischen Ringwall Otzenhausen an der nördlichen Grenze des Saarlandes zu Rheinland-Pfalz mit der Rekonstruktion der Toranlage und eines keltischen Hauses.
Wie alle Völker der damaligen Zeit, so pflegten auch die keltischen Stämme neben den profanen auch mystische und transzendentale Kulten und Riten und zwar nicht nur durch die Art ihrer Bestattung am Lebensende, sondern während ihres gesamten Lebens. Mit anderen Worten, die Kelten waren religiöse Menschen, die sich Gottheiten geschaffen hatten, für die sie Opfer darbrachten und von denen sie sich Schutz und Beistand in allen Lebenssituationen erbaten. Alles, was sie sich vornahmen, musste vor den Gottheiten bestehen können, von denen sie annahmen, dass sie irgendwo über ihnen im Himmel wohnten. In den Gestirnen des Himmels, aber auch in den Naturgewalten auf der Erde lebten die Götter und sprachen sie zu den Menschen. In ihrem direkten Umfeld, in dem sie lebten und arbeiteten, gab es bestimmte Plätze oder Gegenden, denen sie eine besondere Bedeutung zuwiesen. Diese Orte waren die Heiligtümer der Kelten. Solche Heiligtümer konnten aus einfachen Steinhaufen bestehen, aber auch Teile der Landschaft, wie etwa besonders markante Hügel oder Berge, wurden als Kultstätten ausgewählt. Die tiefen und alltäglichen Formen der Religiosität der Kelten waren wichtige Voraussetzungen dafür, dass sie nach der Zeitenwende das Christentum so umfassend in ihren Völkern auf dem europäischen Kontinent aufnehmen konnten. Viele der heute in den großen Kirchen praktizierten Rituale haben in diesem Urverhalten der Menschen jener Zeit ihre Wurzeln.