Historische Ansicht des Ottweiler Bahnhofs von 1903 mit den Rheinischen Schamott- und Dinaswerken rechts im Hintergrund(Postkartensammlung Ludwig Müller)
Ottweiler ist mit seinem Bahnhof direkt an die zweigleisige Rhein-Nahe-Bahnstrecke angebunden, die zwischen 1858 und 1860 in Betrieb ging. Zur Realisierung dieses Projektes war im Jahre 1856 die „Rhein-Nahe-Eisenbahn-Gesellschaft“ in Bad-Kreuznach gegründet worden. Mit dem Bau und Betrieb wurde der preußische Staat beauftragt. Die Eröffnung erfolgte in drei Etappen: von Bingerbrück bis Bad Kreuznach (1858), von Bad Kreuznach bis Idar-Oberstein (1859) und von Idar-Oberstein bis Neunkirchen (1860). Die 121 km lange Strecke wurde damals als teuerste Bahnlinie Deutschlands bezeichnet, weil sie sehr arbeitsaufwändige Brücken, Tunnels, Dämme und Geländeeinschnitte erforderte. In Neunkirchen wurde sie an die bereits bestehende Linie der „Saarbrücker Eisenbahn“ angeschlossen.
Nach dem 1936 begonnenen Bau der „Ostertalbahn“ zweigt seit 1937 diese eingleisige Bahnstrecke von Ottweiler nach Schwarzerden ab.
Karte erstellt auf folgenden Grundlagen: Rhein-Nahe-Bahn: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67851839 Ostertalbahn: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28080666
In Ottweiler hatte sich bereits im Jahre 1844 ein „Eisenbahn-Comité“ gegründet, zu dessen Vorsitzenden der kath. Pfarrer Johann Anton Joseph Hansen gewählt wurde. In den umfangreichen Aufzeichnungen, die Hansen während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in Ottweiler niederschrieb, berichtete er ausführlich über die laufenden Arbeiten an der Bahnstrecke im Bereich von Ottweiler. Sie sind in der von ihm handschriftlich verfassten „Chronik der katholischen Pfarrei Ottweiler 1838 – 1861“ enthalten, die Hans-Joachim Hoffmann transkribierte und 2006 als Buch herausgab.
Das Empfangsgebäude des Ottweiler Bahnhofes wurde 1859 zunächst als provisorischer Fachwerkbau errichtet, blieb aber wegen finanzieller Schwierigkeiten der Bahngesellschaft bis 1877 in Betrieb. In diesem Jahr wurde das Empfangsgebäude in seiner heutigen zweigeschossigen, traufständigen Form neu gebaut. Es wurde bis zum Jahre 1995 von den deutschen Bahngesellschaften, zuletzt der Deutschen Bahn AG betrieben. Im Jahre 2012 wurde das unter Denkmalschutz stehende Gebäude von der Stadt Ottweiler gekauft.
Am südlichen Ende des Bahnhofsareals führt die Strecke über die Bundesstraße 420 (Saarbrücker Straße) und die Blies. Das dafür erforderliche Brückenbauwerk wurde im Zuge des Bahnstreckenbaus errichtet und 1858 zu Ehren der preußischen Königin Viktoria Luise als „Viktoriabrücke“ eingesegnet.
Nach Fertigstellung der Ostertalbahn war der Ottweiler Bahnhof zum südlichen Endpunkt der Strecke Schwarzerden-Ottweiler geworden. Das machte 1937 den Bau einer weiteren Brücke über die Saarbrücker Straße und die Blies erforderlich, die als Stahlkonstruktion direkt an die bereits bestehende Viktoriabrücke angebaut wurde. Ein weiteres Jahr später baute man das Empfangsgebäudes um und errichtete den Inselbahnsteig in seiner heutigen Form, der durch eine Unterführung unter den Gleisen 1 und 2 an den Bahnsteig 1 und das Empfangsgebäude angebunden wurde.
Der ursprüngliche Grund für den Bau der Rhein-Nahe-Bahnstrecke in der Mitte des 19. Jahrhunderts war rein wirtschaftlicher Natur. Ziel war die Herstellung einer direkten Verbindung zwischen den Steinkohlegruben des Saargebiets und dem Rheingebiet. Der Personenverkehr spielte auf der Strecke dabei eine untergeordnete Rolle. Das änderte sich erst, nachdem die etwa zeitgleich zur Rhein-Nahe-Bahn gebaute Saarstrecke von Saarbrücken bis Trier in Betrieb genommen wurde. Seitdem rollt der Montan-Güterverkehr über diese Strecke im Saartal.
Dennoch blieb Ottweiler auch für den Güterverkehr an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Während das Empfangsgebäude dem Personenverkehr vorbehalten war, war schon im 19. Jahrhundert als Pendant dazu jenseits der Gleisanlagen ein eigener Güterbahnhof mit großen schienen- und straßenseitigen Laderampen für den Frachtbetrieb errichtet worden, der mit einem eigenen Gleis an die Hauptstrecke angeschlossen war. Dadurch verfügte der Ottweiler Bahnhof viele Jahrzehnte lang über mehrere mit Weichen untereinander verbundene Gleisstränge.
Die Aufnahme von vor 1905 zeigt Ottweiler mit dem Güterbahnhof in der Bildmitte
Heute ist der alte Güterbahnhof Sitz eines Baumaschinenverleihs
Während der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts rückte die strategische Bedeutung der Bahn in den Vordergrund. Mit ihr wurden nicht nur Truppentransporte durchgeführt, sondern auch schweres Kriegsgerät über weite Entfernungen transportiert. Das veranlasste wiederum die Kriegsgegner, diese Bahnlinien zu strategischen Zielen zu erklären. So war die Zerstörung der Rhein-Nahe-Bahn bei Ottweiler der eigentliche Grund für einen Jagdbomberangriff am 12. September 1944. Einige der Bomben verfehlten allerdings ihr Ziel und trafen stattdessen die Häuser in den vorderen Bereichen der damaligen Viktoriastraße (heute Saarbrücker Straße) und der Schiffweilerstraße (heute Martin-Luther-Straße). Die Militärs nannten so etwas lapidar Kollateralschaden. Die traurige Bilanz damals waren 20 Tote und zahlreiche Verletzte.
Bilder vom Bombenangriff am 12. September 1944
Im Jahre 1961 ließ die Bundesbahndirektion Saarbrücken eine moderne Fußgängerbrücke aus Beton über den Bahnkörper errichten. Sie erleichterte ganz erheblich die fußläufige Anbindung des Stadtteils Neumünster an den Bahnhof und in die Kernstadt. Das Besondere an dieser Brücke war, dass sie barrierefrei war, obwohl „Behindertengleichstellung“ oder „Barrierefreiheit“ im öffentlichen Raum noch unbesetzte Begriffe waren. Zum Ausgleich des Höhenunterschiedes zwischen dem westlichen Brückenabgang und dem Bahnhofsvorplatz baute man eine elegante Rotunde ein. Von der Brücke aus ragten in beiden Fahrtrichtungen große Betonplatten über die Gleise, die den Dampf der Lokomotiven von den Passanten fernhalten sollten.
Bei einer routinemäßigen Brückenprüfung in den 80er Jahren wurden massive Mängel an dem Bauwerk festgestellt. Der über die Fürther Straße (B 420) führende Teil der Fußgängerbrücke musste daraufhin komplett erneuert werden.
In den ersten Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg wurden die Züge auf der Rhein-Nahe-Strecke ausschließlich von Dampflokomotiven gezogen. Den Personenverkehr auf der Ostertalstrecke übernahmen leichte zweiachsige Verbrennungstriebwagen, die sogenannten Schienenbusse. Nach der durchgehenden Elektrifizierung der Strecke von Saarbrücken bis Türkismühle im Jahre 1969 kamen dann hauptsächlich die neuen Elektro-Loks zum Einsatz, während die Züge der überregionalen Verkehre von und zum Rhein von Diesellokomotiven gezogen wurden.
Das Empfangsgebäude hatte in dieser Zeit einen anderen Stellenwert als heute. Das Bahngelände konnte ausschließlich durch das Empfangsgebäude betreten werden und auf die Bahnsteige gelangte nur, wer eine gültige Fahrkarte hatte; Begleiter von Fahrgästen benötigten eine Bahnsteigkarte. In der Empfangshalle zur Linken war der Fahrkartenschalter und die Gepäckannahme und auf der rechten Seite gelangte man in die geräumige Bahnhofsgaststätte. Das Äußere des Gebäudes wechselte von Zeit zu Zeit die Farbe. Die nachfolgende Aufnahme von 1980 zeigt es in einem hellen Grün, eine weitere 18 Jahre später im heutigen Orange.
Auch das Umfeld des Bahnhofes veränderte sich mit der Zeit. 1994 wurde nördlich des Bahnhofsvorgeländes ein neuer Busbahnhof gebaut, der an die Bahnhofstraße und die Schlossstraße angebunden wurde. Das kleine Geschäftslokal an der Fußgängerbrücke wurde abgerissen. Der von der Bahnhofstraße kommende Fußweg wurde erneuert und der gesamte Bahnhofsvorplatz mit dem großen Parkplatz wurde, nachdem die Stadt diese Fläche mit dem Empfangsgebäude von der Bahn gekauft hatte, von Grund auf neu gestaltet.